Ein Projekt des Gesellschaftwissenschaftlichen Instituts München (GIM) für Zukunftsfragen in Kooperation mit dem Bildungswerk Rosenheim.
Finanzierung als Modellprojekt durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Bonn im Rahmen der Maßnahmen zu Flucht, Migration und Integration 2017.
Das Projekt wird in zwei byerischen ländlichen Modellkommunen durchgeführt. Auf der Basis der Erfahrungen und einer begleitenden wissenschaftliche Evaluation wird eine Handreichung für weitere Kommunen erstellt, die ebenfalls in diesem Format Dorfgespräche durchführen möchten.
Projektleitung, Gestaltung und Moderation:
Florian Wenzel, Halfing, peripheria.de
Dr. Christian Boeser-Schnebel, Universität Augsburg
Modell Halfing
In der Beobachtung, dass eine oberbayerische ländliche Kommune wie Halfing über enorme Ressourcen an Vereinsleben, Infrastruktur und Beteiligungsmöglichkeiten verfügt, will das Projekt ein Beitrag zur Stärkung des gemeinsamen Zusammenlebens in einer gegenwärtig herausfordernden gesellschaftlichen Situation in immerhin einer der etabliertesten Demokratien dieser Welt sein.
Gesellschaftspolitischer Ansatz
„Wir müssen reden. Wir müssen dringend an der Kommunikationsstörung arbeiten, die inzwischen die Substanz der Demokratie untergräbt. Unser Gesellschaft fehlt es an Orten der Begegnung für unterschiedliche Schichten und Milieus, es fehlt an Formaten des offenen Diskurses in einer Kultur des Zuhörens und Argumentierens, in der der Hass keine Chance hat.Es fehlt an Orten, an denen Bürger gemeinsam die Erfahrung machen, ihre Lebenswelt politisch mitgestalten zu können, anstatt Wandel immer nur passiv oder sogar ohnmächtig zu erleben.“
Jürgen Wiebecke, Zu Fuß durch ein nervöses Land. Auf der Suche nach dem, was uns zusammenhält
Gesellschaftspolitische Diskurse stehen bis hinein in Freundeskreise und Familien zunehmend in der Gefahr, in quasi absoluten Kategorien geführt zu werden. Bei den aktuellen Auseinandersetzungen um Flucht, Migration, Religion, Kultur und Terrorismus ist zu beobachten, dass demokratische Konfliktfähigkeit zugunsten von absoluten Wertvorstellungen aufgegeben wird. Vertreter jeweils anderer Positionen werden dabei scharf verurteilt, ihnen wird die Legitimation jeweils abgesprochen. Dies ist im zivilgesellschaftlichen Bereich beobachtbar, aktuell auch zunehmend im politischen Diskurs verschiedener Parteien sowie in den Medien.
In den Hintergrund gerät die Tatsache, dass Werte diskursive Errungenschaften sind, die sich oftmals aus konflikthaften Auseinandersetzungen gebildet haben und einem ständigen Wandel unterliegen. Implizit wird damit auch von einem statischen Demokratieverständnis ausgegangen.
Im ländlichen Raum in Bayern gibt es durch eine starke Vereinsstruktur gut etablierte Dialogstrukturen und Begegnungsformate, in denen offene Diskurse geführt werden. Umfangreiche personelle wie strukturelle Ressourcen erlauben die Organisation von Lesungen, Seminaren, Konzerten, Ausflügen, Festen etc. Zahlreiche Kooperationen mit Schulen, Kindergärten, Pfarrgemeinden, Wirtschaftsverbänden etc. erlauben nach wie vor eine beeindruckende Integration der Bevölkerung vor Ort.
Die lokale Nähe, die soziale Vertrautheit, die Möglichkeiten der Begegnungen bieten ideale Möglichkeiten im Themenbereich, die jedoch gerade bei den aktuellen gesellschaftlichen Kontroversen aktiv unterstützt werden müssen.
Das vorliegende Projekt zeigt modellhaft in zwei ländlichen Kommunen auf, wie mittels einer dreiteiligen Dialog- und Begegnungsreihe mit dem Titel „Dorfgespräch!“ die Ressourcen einer Gemeinde für die gesamtgesellschaftliche Integration genutzt werden können. Hierbei sind einerseits implizit als aktueller ‚Auslöser‘ die Geflüchteten im Blick, v.a. aber auch die Mehrheitsgesellschaft selber, um den „wechselseitigen Prozess der Integration“ (K.J. Bade) umfassend in den Blick zu nehmen.